Erlebnisbericht Sri Chinmoy Zürichsee Marathon Swim 04. August 2019
Nach einigen schönen Freiwasser-Wettkämpfen in den letzten Jahren über verschiedene Distanzen bis hin zum 10km Schwimmen im Hallstädter See, kristallisierte sich langsam aber sicher die Idee heraus, eine ganz besondere Herausforderung anzunehmen: 26,4km Schwimmen im Zürichsee – eine toll organisierte Veranstaltung des Sri Chinmoy Clubs, die schon seit über 30 Jahren besteht und immer wieder internationale Schwimmer aus der ganzen Welt anzieht.
Gesagt, getan. Anmeldung im Januar diesen Jahres durchgeschickt, aber leider kein Boot bekommen. Somit lag der Plan eigentlich erst einmal wieder auf Eis. Denn ohne Begleitboot darf man nicht schwimmen und ohne eigenes Boot ist es recht schwer, einen Startplatz zu erhalten.
Aber das Schicksal hatte doch ein Einsehen mit mir: Im Trainingslager auf Fuerte traf ich meine Freundin Kathleen, die in Zürich lebt und viel Kontakt mit den Triathleten und auch Seeschwimmern dort hat. Reiner Zufall wollte es, dass sie kurz nach unserem Trainingslager eine Bekannte traf, die in Zukunft den Marathon Swim plant und auch ein Boot mit Kapitän hatte. Dani erklärte sich bereit, mich in diesem Jahr zu begleiten und so war der Zürichsee swim 19 perfekt, denn mit Boot ist die Anmeldung quasi reine Formsache!
So, durchatmen. Oh Gott, Du hast Dich wirklich für 26km Schwimmen angemeldet. Wie schaff ich das? Meine nächste Amtshandlung war eine Nachricht an Jan Wolfgarten, bei dem ich schon zuvor hier in München in der Gruppe trainiert hatte und der mich als Coach zu Höchstleistungen angespornt hat (200m Beine Test: 3.54min steht immer noch J). Jan sagte mir zu, obwohl er eigentlich keine Einzelbetreuung mehr macht. Ich glaube aber, er fand das Projekt interessant genug. Außerdem blieben uns noch 3 Monate Vorbereitungszeit, was zu einem kleinen Mikrozykus im Schwimmtraining passt.
Nun ging es also los: Jede der nun folgenden 12 Trainingswochen hatte einen Mindestumfang von 22km/Woche. Im Maximum 28km, dies beinhaltete dann auch oft Trainingswettkämpfe. So bin ich in der Vorbereitung auf Mallorca 7,5km im Salzwasser bei ziemlich heftigen Rollwellen, die Ammerland Seequerung mit 4,2 km (im Ziel als 6. Frau gesamt) und beim bayrischen FreiwasserCup zweimal 5km +einmal 2,5 km gleich im Anschluss an die 5km als Rennen geschwommen. Zeiten waren prima, obwohl ich mich eher auf Länge konzentriert habe. Kam bei beiden FWCup-Rennen aufs Treppchen und habe zum ersten Mal in meiner Sportlerkarriere tatsächlich Preisgeld gewonnen!
Also war ich tatsächlich so gut vorbereitet, wie man nur sein kann für ein solches Projekt. Und so trat ich am Freitag vor dem Schwimmen meine Anreise nach Zürich an. Ich durfte ein weiteres Mal die Gastfreundschaft von Kathleen in Anspruch nehmen, die auch meine Supporterin an dem Wettkampftag sein sollte. Am Samstag Morgen gönnten wir uns einen Beruhigungskilometer in der Badi am Mythoquai mit obligatem Kaffee danach in der Sonne. Dabei probierte ich nochmal meinen Helix-Neo, der aber super passte und meine Entscheidung bestätigte, wirklich mit Langarmneo zu schwimmen. Am Nachmittag folgte dann die Registrierung in Rapperswil mit Wettkampfbesprechung, die noch letzte Fragen klärte. Nun also noch eine kurze Nacht, die mit dem Wecker um 4.15 Uhr endete (oder war ich schon wach?). Wie man das schon von den Triathlon Langdistanzen kennt: Aufstehen, frühstücken, letzte Sachen zusammenpacken (unser Riesen-Ikeabeutel/Kühltasche mit allen Maurten Maltobeuteln, Wasserflaschen, Hydrogels, Bananen, Melone, Salztabletten, Cola sowie Erste-Hilfe-Maßnahmen wie Vomex, Ibu, Hustensaft… war schon längst abfahrtsbereit), komplett mit Sonnenschutz einpappen (falls der Neo doch runter muss )und schon ging es los.
Wir sind viel zu früh dran. Morgens um 5 Uhr dauert die Autofahrt von Zürich nach Rapperswil grad mal 20 Minuten und so haben wir reichlich Zeit am Hafen von Rappi, bis auch unser Boot mit Kapitän Dani und Kathleen‘s Bekannter Natalina eintrifft. Alles funktioniert noch gut (später nicht mehr so ganz…) und die ersten Taschen werden ins Boot verladen. Kathleen und ich marschieren rüber vom Hafen zur Schloßbadi, wo auch der Start sein wird. Alles ist noch wunderbar ruhig und der See spiegelglatt. Die Sonne geht langsam auf und es ist einfach nur ein traumhaft schöner Morgen. Man kann einfach gar nicht anders, als strahlend umher zu laufen, denn alle anderen tun das auch. Sicher sind alle ganz schön aufgeregt, aber alle 43 Soloschwimmer und die Startschwimmer der 23 Teams sind sehr sehr höflich und freundlich miteinander. Ganz anders als bei den großen Triathlonevents, wo oft vor dem Start alle sehr angespannt und gereizt sind. Hier ist eine wundervolle Atmosphäre, fast familiär. Nachdem ich halb in meinem Neo bin und ich Kathleen bitte, mir soviel Schmierzeugs unter den Anzug zu klatschen, bin ich so gut geölt wie noch nie. Aber es sollte sich als gute Taktik bewähren, denn ich habe nachher tatsächlich nicht eine einzige Scheuerstelle vom Anzug! Nachdem alle Schwimmer aufgerufen sind, begeben wir uns pünktlich um kurz vor 7 Uhr ins Wasser. Damen und Herren Soloschwimmer starten gemeinsam und bevor die Startsirene pünktlich ertönt, gibt es eine Minute voll Ruhe, die wir schweigend auf uns fokussiert verbringen. Und dann geht es los – aber eben ganz in Ruhe. Ein paar Herren ziehen davon, aber der Hauptteil beginnt sich sehr bewusst verhalten auf den doch sehr langen Weg zu machen. Keine Waschmaschine wie beim Triathlon! Aber dennoch zieht sich das Feld auseinander, denn jeder schaut, dass er sein Begleitboot findet. Manche haben Kajaker dabei, andere Ruderboote, wieder andere richtige Segelyachten. Wir hätten eigentlich ein Motorboot. Nur, das finde ich so gar nicht. Nur gut, dass der Rennleiter bei der Besprechung erwähnt hat, „dass es manchmal 30min bis zu einer Stunde dauern kann, bis Boot und Schwimmer sich auf dem See finden.“ Also gar keine Panik, einfach weiterschwimmen. Komischerweise funktioniert das auch, bis dann nach ca. 45 Minuten ein anderer Bootsführer neben mir auftaucht, der mich nach meiner Begleitung fragt. Naja, sag ich, wüsste ich auch gern. „Wir wissen das schon, Dein Boot für Nr. 51 ist defekt – aber Deine Begleitung ist im Ersatzboot auf dem Weg zu Dir“.
HUCH! Da rutschte doch mal kurz das Herz in Hose, aber kurze Zeit später war Kathleen in einem Holzboot mit Motor neben mir und ich konnte meine erste Trinkration Maurten genießen. Tatsächlich hatten wir als Ernährungsplan einen Trinkstop mit 300ml alle 30 min und jede volle Stunde ein Hydrogel und ein Bananenstückchen mit einer Salzkapsel vorgesehen. Cola war nur für die letzte Strecke gedacht, aber auch mit dabei. Endlich nun vereint, peilten wir also die Ideallinie an und fanden bald in den geplanten Rhythmus von schwimmen, trinken, schwimmen, Gel zutzeln, trinken, schwimmen etc…. Die ersten Stunden waren sehr angenehm. Man schwimmt einfach sein Tempo und genießt den ruhigen, glatten See und das wunderschöne Wetter. Ich fühlte mich in meinem Anzug sehr wohl, was eben daran lag, dass gar nichts irgendwo gescheuert hat. So verging dann Kilometer um Kilometer. Und irgendwann sagt der neue Bootsführer: Nu sind schon 10km rum. Ach ja, und die übrigen 16…. denke ich so. Aber wenn man schwimmt, geht es eben immer weiter und so taucht auch etwas nach der Hälfte Meilen mit seinem Fähranleger auf, den wir auch sicher und ohne Probleme hinter uns lassen können. Irgendwann traue ich mich mal nach dem km Stand zu fragen: So ca. 17, sagt Kathleen, und ich bin schon ganz froh. Oh ja, kommt es mir dann, da sind wir ja schon wieder im einstelligen km Bereich, das ist fein! Und so ganz langsam, aber sicher meldet sich meine rechte Schulter. Damit habe ich eigentlich keine Probleme, aber die einseitige Belastung der 2er-Atmung nur auf die linke Seite hinterlässt schon Spuren. Es hält sich aber noch in Grenzen und es geht gut weiter. Wir passieren das Küsnachter Horn und schwimmen jetzt direkt auf Zürich zu! Hey, also noch etwas über 4km!! Vor lauter Freude darüber macht nun der Motor unseres Ersatzbootes schlapp. Unglaublich, aber wahr – auch das Ersatzboot muss mich jetzt erstmal wieder allein schwimmen lassen und auf Unterstützung am Ufer warten.
Jetzt beginnt für mich der härteste Teil des Schwimmens. Ich bin allein (hab aber 2 Gels dabei), mache mir aber Sorgen, dass man mich nicht ordentlich auf dem See sieht so allein, ohne Boot und Boje. Denn an einem wunderschönen sonnigen Sonntagnachmittag sind im Züricher Seebecken jede Menge andere Boot, SUPS, Ausflugsdampfer und Einhornluftmatratzen unterwegs! Ich stoppe oft, um nach vorn (und auch nach hinten) zu schauen, in der Hoffnung, dass mein Boot doch wieder zu mir kommt. Es kommt auch eines, das ist aber die Rennleitung, die sich bereit erklärt, mich vorerst zu begleiten. Die Schulter hat inzwischen von Ab-und-zu auf Dauermeldung „Autsch“ umgestellt und es ist inzwischen ziemlich fies, immer wieder die Arme übers Wasser rausbringen zu müssen. Doch dann: Kathleen im Boot taucht auf, diesmal sind wir einen knappen Kilometer vor dem Ziel. Ja, Ziel!! Ich sehe schon die bunten Luftballons und will nur noch genau DAHIN! Wie zuvor abgesprochen und auch genehmigt, springt jetzt Kathleen zu mir und begleitet mich im Wasser, das ist die Rettung für mich, denn ich muss nicht mehr orientieren, sondern patsche einfach nur noch aufs Wasser… Später sagt Kathleen: Mann, ich hab gedacht, ich kann gar nicht soooo langsam schwimmen J! Aber wir schaffen das doch und ich kann nach für mich traumhaften 9Stunden 2Minuten und 15 Sekunden wieder an Land. OH GOTT. War das schön und heftig und lang und anstrengend und toll und …. Alles auf einmal. Ich bin so glücklich, dass ich es geschafft habe und wieder auf meinen Füßen stehe. Mit nicht einem Kratzer, gesund, ohne Magenprobleme, alles klasse. Lassen wir die Schulter mal beiseite. Dass ich mich in der Dusche nachher nur ausziehen kann, indem der linke den rechten Arm ganz langsam führt, nimmt man für soviel Ehre dann schon in Kauf. Und drei Tage später kriegt es dann ein super Physiotherapeut auch hin, die ganze Überlastung und Anspannung raus zu massieren. Aber jetzt stehe ich am Schwimmausstieg und darf übers Mikrofon nette Fragen beantworten (ja, das dürfen natürlich alle Schwimmer, die ankommen) und meine Medaille in Empfang nehmen. Tatsächlich reicht es mit dieser Zeit in meiner Kategorie W<50 wetsuit für Platz 1 (von 2 Damen, aber dafür kann ich nix). Bin trotzdem „total geflasht“ wie Ben das wohl sagen würde. Und super happy. Wir genießen noch zusammen das Superbüffet (mit Curry, Pfannkuchen, frischem Salat, Obst und Kuchen) und machen tolle Fotos bei der Siegerehrung. Um 19.45 Uhr sind wir zusammen wieder in Kathleen´s Auto (das sie netterweise schon von Rappi wieder nach Zürich geholt hatte) auf dem Weg in ihre Wohnung. Ein Wahnsinnstag neigt sich dem Ende. Ich bin echt platt – aber ganz anders als nach dem Ironman in Zürich letztes Jahr! Und habe für dieses Jahr mein Projekt sehr zufrieden abgehakt.
Mein ganzer Dank geht nochmal an: Kathleen, ohne deren Support ich es nicht geschafft hätte; an Jan, der mir tolle Pläne geschrieben hat und auch ein offen Ohr für alle meine Fragen hatte und natürlich an die Homecrew Ben und Norbert, die mein tolles Schwimmseriengewäsch ertragen haben. Ihr seid toll, ich danke euch sehr!!